„Es ist mal wieder so weit, ich sitze in einem Krisen-Plenum, in dem eine Person meint, dass sie nur weiblich sozialisierte Personen kochen sieht.

Vorher hat sie mich gesehen. Toll

Dabei war ich mir doch so sicher die Pfannkuchen extra männlich gewendet zu haben.“

„Es hat mich schon wieder ein Mensch per Nachricht gefragt, ob ich „weiblich gelesen“ bin. Ich hatte zugesagt, nach einem politischen Film Fragen zu beantworten. Ich fühle mich objektiviert von meiner eigenen Szene. Ich bin nur gut, um ihre Quoten zu füllen. Ich bin ein Werkzeug um ihnen zu helfen, feministisch rüberzukommen. Die Binarität wird mir ein mal mehr aufgedrängt.“

Bei manchen ist mittlerweile angekommen, dass die Formulierungen „männlich und weiblich gelesen“ von trans menschen meistens nicht gern gehört werden. In meinem Umfeld wurde das irgendwann ersetzt durch „weiblich oder männlich sozialisiert“.

Thanks a lot. Different word same shit.

Jedes Mal, wenn du „Jungs & Mädels“ sagst, verblasst das Glitzern in meinem Herzen.

Das Wort Sozialisation beschreibt, so wie ich es verstehe, den Einfluss den die Gesellschaft bzw. unser Umfeld auf unsere Entwicklung hat.

Also was machen die Werte, Rollen, Verhaltensmuster, Kathegorien, Vorurteile, für selbstverständlich erklärte Machtstrukturen, die mir in der Gesellschaft vermittelt werden, mit mir? Was habe ich in der Gesellschaft gelernt, und was lerne ich in ihr? Sozialisation hört ja nicht einfach auf, solange mensch lebt und irgendeinen Bezug zu anderen Menschen hat.

Es ist mir wichtig mich mit meinem Umfeld mit unserer Sozialisation auseinanderzusetzten, um zu verstehen, woher Vorurteile, Strategien und Verhaltensmuster kommen, meine Privilegien auf dem Schirm zu haben und mich verantwortungsvoll im Kontakt mit anderen verhalten zu können. Um diskriminierendes Verhalten und Herrschaftsstrukturen generell abzubauen.

Das Wort Sozialisation wird in meinem Umfeld hauptsächlich benutzt um Geschlechterungleichheit zu thematisieren, was ja auch wichtig und sinnvoll ist. Meine Wahrnehmung ist aber, dass diese Formulierung oft auch nur benutzt wird um einen Ersatz für Frau oder Mann bzw männlich/weiblich gelesen zu haben.

Dabei geht es wahrscheinlch hauptsächlich darum, dem Szene-Druck aware zu sein, gerecht zu werden.

Und das ohne eigentlich zu hinterfragen warum die Kategorien männlich und weiblich überhaupt so wichtig zu sein scheinen, um weiter Personen einem Geschlecht klar zuordnen zu können und sich ja nicht von ihrem Auftreten verwirren zu lassen. Das schmeißt ja ein ganzes Weltbild um.

Menschen die weiblich oder nichtbinär sind mit männlich sozialisiert zu beschreiben ist misgendern. Außer ein mensch beschreibt die eigene Sozialisation als männlich.

Unter awarem deckmantel misgendert zu werden fühlt sich nicht besser an, als wenn das so passiert. (Ich will damit nicht personen verurteilen die das tun, ist für uns alle wahrscheinlich nicht leicht, sondern zu reflektion anregen und ausdrücken dass das für trans und nichtbinäre menschen echt scheiße sein kann.)

Ein paar Anwendungen bei denen ich die Formulierung „männliche und weibliche Sozialisation“ trans/nichtbinär feindlich finde

  • Personen beschreibungen (als ersatz für männlich oder weiblich)
  • Absprechen oder aufdrängen einer Geschlechtsidentität durch das Sozialisationsargument
    (zum Beispiel wenn es um Frauenräume geht)
  • Alles wird in zwei Geschlechterboxen gepackt, auch wenn andere Aspekte für Personen vielleicht viel ausschlaggebender sind
  • Erfahrungen werden zugeschrieben und gewichtet, und einem Geschlecht zugeordnet. (Zum Beispiel wenn es um sexualisierte Gewalt geht)
  • Das Sozialisationsargument ist oft eigentlich versteckter Biologismus. (Die Ordnung wie sie ist aufrechterhalten)

Ich denke es ist eine schwierige aber wichtige Frage wie wir Geschlechterungleichheit thematisieren können ohne trans oder nonbinary feindlich zu sein.

Sozialisation ist voll komplex, und einfach nur von männlicher und weiblicher Sozialisation zu sprechen und von nix anderem schließt total viele Perspektiven aus.

Es gibt nicht die weibliche/männliche Sozialisation. Ein kleiner Mann macht andere Erfahrungen mit der Rolle Mann als ein großer Mann. Eine Schwarze Frau macht andere Erfahrungen mit der Rolle Frau als eine weiße Frau. Eine Butch macht andere Erfahrungen als eine feminine Hetera. Ein akademischer Typ hat nicht die gleiche Sozialisation wie ein Arbeiter. Eine cis frau hat andere Erfahrungen als eine trans frau. Ein schwuler Mann macht andere Erfahrungen als ein hetero Mann.

Und was ist mit Nonbinary people? Was haben die denn nun für eine Sozialisation? Eine nichtbinäre:), manchmal spielt trans sein dazu eine Rolle, Schwarz oder weiß sein hat Einfluss, manchmal männlich oder weiblich zugeordnet werden. What ever, am besten kann dir jedes selbst erzählen was es für Erfahrungen hat. Falls es das will.

Anm.: Sozialisation ist glaube ich ein Thema mit Akademischem ursprung und ist bestimmt in linken szenen so präsent weil die ja sehr akademisch geprägt ist. Ich perönlich habe akademischen zugang, und will nicht dass menschen ausgeschlossen werden wenn sie den nicht haben.
Also falls du keinen Zugang zu dem Text haben solltest, such das problem bitte nicht bei dir. Dann hab ich es nicht geschafft andere perspektiven gut genug mitzudenken.
Der Text soll keineswegs aussagen dass nur menschen sich cool gegenüber trans und nichtbinären menschen verhalten können die sozialisation akademisch durchkaut haben.