Mit diesem kleinen, aber nicht ungefährlichen Ritual kannst du den Geist deines toten alten Ichs beschwören, damit er während eines Behördengangs Besitz von dir ergreift, also bei Jobcenter-/Standesamts-Terminen, (Amts-)ärztlichen Evaluationen, oder Gerichtsprozessen. So musst du dich dem Scheiß nicht selbst aussetzen.

Dieser Zauber ist äußerst riskant und nichts für Willensschwache – es geht um nichts weniger als darum, deinen Körper einem fremden Geist anzuvertrauen. Deine eigene Seele versteckt sich während der Besessenheit wahlweise hinten in deinem Kopf, oder macht sich ganz klein im Herzen (das ist Typsache). Es kann herausfordernd sein, nach dem Behördengang wieder die Kontrolle zu übernehmen.

Eine Person holt einen Brief vom Briefkasten ab, darauf steht "Vorladung Amt". Sie ist schlecht gelaunt.

Deswegen hilft es (ist aber nicht unabdingbar), wenn dir während der Wirkung des Zaubers ein Vertrautes als Zeugi des Rituals beisteht. Während dem Behördengang kann es auf deinen Körper aufpassen, und dir danach dabei helfen dich gegen den Geist zu behaupten. Das Vertraute kann zwei oder mehr Beine haben – es ist für das Gelingen des Zaubers aber von großer Bedeutung, dass das Vertraute mit dir in das Gebäude gelassen wird.

Das Ritual braucht ein bisschen Vorbereitung und Nachbereitung. Plane ein bisschen Zeit mit ein. Und wie bei jeder Form von Hexerei – lies dir alles ganz genau durch und passe die Schritte auf dich an, bevor du es ausprobierst, und überlege dir ob du dich darauf einlassen willst (ein Trauerspiel, dass man das immer noch dazu sagen muss).

Vorbereitungen

Zuerst such dir ein persönliches Schutzamulett – das kann etwas Schmuck sein, dein Lieblings-Kleidungsstück, etwas woran deine Seele hängt. Leg es an.

Überlege mit deinem Vertrauten zusammen, womit du Macht über deinen alten toten Geist hast. Dein Vertrautes muss im Zweifel den Geist austreiben können; dabei helfen Sätze wie „du musst nie wieder in die Schule“, „deine Eltern haben es mittlerweile verstanden“, oder „er weiß nicht in welcher Stadt du heute wohnst“, aber das ist hochgradig individuell. Andere Optionen sind Zärtlichkeiten (wie Hand/Gesicht ablecken oder eine feste Umarmung) die deiner Seele Kraft geben, aber den Geist irritieren.

Geht außerdem zusammen den Ablauf des Rituals durch. Wenn dein Vertrautes sich der Rolle gewachsen fühlt, könnt ihr fortfahren.

Das Ritual

Male ein simples Pentagramm im Kreis (s. Abbildung 1), entweder mit Kreide auf den Boden, notfalls tun es auch Stift und Papier. Gib dem Geist so viel Platz wie er braucht um in diese Dimension gezerrt zu werden. Achte darauf, dass die Zacken des Pentagramms den Kreis berühren, aber nicht darüber hinausragen. Im Zweifel hilft es, die Linien dicker zu machen.

Eine person beschwört mit einem Pentagramm einen Geist.

Sobald ihr soweit seid, stellt euch vor das Pentagramm. Mit Körperkontakt zum Vertrauten, sprich die Beschwörungsformel (laut und klar, auf keinen Fall verhaspeln, mit der nötigen Autorität):

invoco mortuum spiritum meum <deadname> qui dereliquit me semper ante

Der Geist kann sich durch verschiedene Arten bemerkbar machen; Gänsehaut, ein Windhauch, aufkommende aufdringliche Gedanken an deine Vergangenheit, eine plötzlich erlöschende oder entflammende Kerze, kälter werdende Raumtemperatur.

Wenn du die Aufmerksamkeit des Geistes hast, mache ihm in einer Sprache die er versteht die Bedingungen des Vertrages zwischen euch klar. Du bietest ihm eine Stunde (oder mehr) in einem menschlichen, fabulösen, queeren Körper, dafür dass er dich vor Behörden angemessen vertritt. Das sind gute Bedingungen; wenn er seine Sache gut macht und dein Vertrauen nicht missbraucht, ist es vielleicht nicht das letzte Mal.

Akzeptiert der Geist die Bedingungen und erweckt einen vertrauenswürdigen Eindruck, lege dein Schutzamulett ab und übergebe es deinem Vertrauten zur Verwahrung, um deinen Körper für den Geist zu öffnen. Reibe die Hände aneinander, bis sie warm werden. Wenn du soweit bist, klatsche einmal in die Hände, als Signal dass der Geist in dich fahren kann.

Die vom Geist besessene Person bewegt sich durch einen düsteren Gang auf eine Tür zu, auf der "Büro" steht.

Während dem Behördengang

Während dem Behördengang ist es wichtig, nicht die Nerven zu verlieren. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn der Geist sich sehr anders benimmt als du es würdest. Dein Körper wird während der Besessenheit vielleicht unnatürlich langsam sprechen, oder sich zäh bewegen. Vielleicht spricht er plötzlich mit ungewöhnlich hohen oder tiefen Stimmen. Die meisten Geister haben Schwierigkeiten damit, sich nach langer Zeit wieder auf die materielle Ebene einzustellen.

Die besessene Person liest Gesetzestexte, über ihrem Kopf schwebt ein Paragraphenzeichen.

Wie du dem Geist spontan die Kontrolle abringen kannst, aus welchen Gründen auch immer, steht weiter unten.

Entlassung

Ist der Behördengang hinter euch gebracht, gilt es, dem Geist für seinen Dienst zu danken und ihn angemessen zu entlassen.

Sucht dafür einen passenden Ort auf – besonders eignet sich ein Fluss oder Bach oder eine Bahnstrecke, oder andere Orte wo man innehalten kann während die Dinge vorüberziehen. Diese beiden Orte eignen sich insbesondere, weil es dort Steine gibt.

Wenn ihr soweit seid, nimm Körperkontakt zu deinem Vertrauten auf. Wenn möglich, schaut euch tief in die Augen. Dadurch wird deine Seele aus den Tiefen deines Körpers an die Oberfläche geholt. Sobald du wieder ganz da bist, räuspere dich; vielleicht musst du erst mal mehrfach aufeinanderfolgend blinzeln, es schüttelt dich, oder andere körperliche Reaktionen treten auf. Eventuell gibt der Geist die Kontrolle über den Körper nur widerwillig auf, entringe sie ihm sanft. Wichtig ist dabei, dass der Körperkontakt zum Vertrauten nicht abbricht.

Die besessene Person geht über einen Waldweg zu einem Fluss und entlässt den Geist.

Sobald du die vollständige Kontrolle über deinen Körper hast, bedanke dich bei dem Geist für seinen Dienst, und dafür dass er seine Aufgabe mit Verantwortung getragen hat. Manche Geister sind stolz oder widerspenstig; dann musst du ihm vielleicht klarmachen, dass es sich so gehört, dass dieser Körper jetzt dir gehört. Auch hierbei kann dein Vertrautes dir helfen. Stelle ihm ruhig in Aussicht, auch in Zukunft mal wieder einen Ausflug in die materielle Ebene machen zu können; aber mache ihm auch klar dass das nur zu deinen Bedingungen geschieht.

Wenn alles gesagt ist, nehmt je zwei handgerechte Steine in die Hand; vielleicht gibt es hier welche, wenn ihr unsicher seid, bringt am besten welche mit. Setzt euch gegenüber auf die Erde, schließt die Augen, und klopft sie aneinander. Ihr werdet dabei entweder einen eigenen oder einen gemeinsamen Rhythmus finden. Das bereitet den Geist darauf vor, die materielle Ebene zu verlassen. Findet ein Ende, ohne zu sprechen.

Macht die Augen auf. Nehmt etwas Humus (Staub, Sand, Kieselsteine, Grashalme, oder Erde, was halt da ist) vom Boden auf, wiegt es in der Hand, schaut euch in die Augen. Wenn ihr soweit seid, zählt von drei runter, ruft laut „finite„, um den Geist zu entlassen. Dann werft ihr es nach hinten über eure Schulter.

Nun lacht gemeinsam, lockert euch auf, umarmt euch, und findet einen Weg, um über das erlebte zu sprechen.

Im Notfall: dem Geist die Kontrolle streitig machen

Solange du das Gefühl hast, dass der Geist im großen in deinem Interesse handelt, besteht kein Grund zur Sorge. Falls du jedoch plötzlich die Kontrolle über deinen Körper übernehmen musst, besinne dich darauf womit du Macht über den Geist hast (du hast dir ja hoffentlich vor dem Ritual Gedanken darüber gemacht), und dann versuche den Geist mit einem Schlag aus deinem Körper zu treiben. Das lässt sich vielleicht mit einem Lach- oder Hustenanfall überdecken.

Links ist die Person bedrückt, der Geist schwebt um sie rum. Rechts ist dieselbe Person nochmal, diesmal vom Geist besessen und unnatürlich grinsend.

Wenn du ein Vertrautes dabei hast, kriegt es hoffentlich etwas von dem inneren Kampf mit. Nun ist es wichtig, dass es dir beisteht, dir dein Schutzamulett übergibt, und dir mit Worten und Gesten hilft, Macht über den Geist zu erlangen. Nach außen hin kann dein Vertrautes auch Dinge sagen wie „ich glaube, dem Mensch geht es gerade nicht gut, ich begleite es schnell zur Toilette“, wenn du dafür noch nicht genug Kontrolle über deinen Körper hast.

Wenn ihr unter euch seid, müsst ihr eventuell improvisieren, um den Geist fürs erste zu bannen; ein vollständiger Bann ist aber nicht dringend, das Schutzamulett sollte reichen um eine Rückkehr in deinen Körper zu verhindern. Nach dem Behördengang könnt ihr den Geist immer noch angemessen entlassen.

Die Illustrationen sind von Adena Sead – vielen Dank <3