Hast du als Kind gelernt, zu lieben?
Hast du gelernt, wie man geliebt wird?
Hast du es später im Leben gelernt?
Wer hat es dir beigebracht?
Ich persönlich versuche ja, Kinder so gut wie möglich zu meiden. Für mich sind die queeren Menschen, die ich befreit habe, meine Kinder; diejenigen, die es gewagt haben, sich zu outen, weil sie gesehen haben, dass es bei mir funktioniert hat. Ich liebe dich, und ich hoffe, du verbreitest diese Liebe überall auf der Welt.
Wann und wie wir lernen, zu lieben, hängt wahrscheinlich von denen ab, die es uns beibringen. Einige dieser Lektionen haben mir meine Eltern beigebracht, ganz sicher. Sie haben vieles an mir missverstanden, aber sie haben auch vieles richtig gemacht – schließlich geht es beim Lieben um das Menschsein, nicht darum, Mann oder Frau zu sein.
Ich habe viel durch meine Freund*innen gelernt, als wir versucht haben, Liebesbeziehungen auf Augenhöhe zu führen – und dabei so oft gescheitert sind wie es geklappt hat. Aber man muss es versuchen, oder? Und es wird einfacher, je älter man wird.
Die Welt verändert sich nicht, weil Menschen ihre Meinung ändern, sondern weil alte Menschen irgendwann sterben.
Ich weiß nicht, wie ernst dieser Satz gemeint ist. Aber er impliziert, dass nur junge Menschen so flexibel sind, dass es einen Unterschied macht, was sie denken. Dass ich als Kind nicht in alle Schubladen gepasst habe, hat mich sicherlich zu dem gemacht, was ich heute bin und welche Kämpfe ich immer noch ausfechte – auch wenn kein*e Lehrer*in mehr versucht, mich zum Sport zu zwingen.
Und was ist mit den Kindern von morgen? Ist das unsere Verantwortung? Die Antinatalist*innen sagen nein, es ist besser, gar nicht geboren zu werden. Aber nicht jeder hat diese Wahl. Unfälle passieren, Familien zerbrechen, und es gibt viele Kinder da draußen, die Menschen brauchen, die sich um sie kümmern. Viele von ihnen sind nichtbinär. Und sie hätten wahrscheinlich lieber Eltern, die diesen Teil von ihnen verstehen (was nicht heißt, dass cis-geschlechtliche Menschen das nicht auch könnten).
Wenn du kein*e reine*r Zyniker*in bist und/oder dich selbst hasst (was natürlich völlig legitim ist), möchtest du deine DNA, deine Persönlichkeit und deine Werte vielleicht an andere Menschen weitergeben, die sie zu schätzen wissen. Und Kinder könnten die Mühe wert sein.
Keine Sorge – du bist nichtbinär, auch wenn du den Drang verspürst, Kinder zu bekommen.
Für nichtbinäre Menschen ist es oft viel härter, Eltern zu werden/zu sein als für cis-Menschen. Der „natürliche“ Weg ist für viele eine Dysphorie-Quelle. Für cis-Frauen ist es bereits ziemlich schwierig, und sie haben eine komplexe Vielfalt an Unterstützungsstrukturen geschaffen (aber auch eine Menge Gruppendruck), um mit dem Schwangerwerden umzugehen. Für nichtbinäre Eltern ist der ganze Schwangerschaftskram noch viel beängstigender, da alle Narrative und Identitäten zu Elternschaft in leuchtendem Pink und Blau erstrahlen.
Einige beweisen Stärke, indem sie dies unterlaufen und schwangere Enbies oder Väter sind. Einige von ihnen empfinden körperliche Dysphorie, wenn sie die Veränderungen der Schwangerschaft durchmachen, andere nicht. Nach der Geburt kann auch das Stillen eine Quelle an Dysphorie sein – aber es gibt Alternativen zum Stillen. Und wenn du darüber nachdenkst, brauchst du dieses Zine wahrscheinlich nicht, um zu hören was möglich ist und was nicht.
Natürlich gibt es neben dem natürlichen Weg auch andere Möglichkeiten. Es gibt bereits viele Kinder da draußen, die niemanden haben, der sich um sie kümmert – warum also neue schaffen? Kinder zu adoptieren ist nicht immer einfach; als vorbestraftes Linksradikales, das gegen Monogamie ist, werde ich wahrscheinlich nie die Möglichkeit haben, jemanden zu adoptieren. Abgesehen davon kann Bürokratie beängstigend sein, und nicht jedes Land erlaubt die Adoption für queere Paare.
Eine einfachere Möglichkeit wäre, eine Pflegefamilie zu werden. Je nach Land ist es sogar für Alleinstehende möglich, Kinder in Pflege zu nehmen. In jedem Fall musst du dich selbst über die Details informieren, da die Situation stark von den örtlichen Gesetzen und deiner persönlichen Situation abhängt.
Wie viele Eltern sind ein Elternteil zu viel?
Es gibt eine radikale Möglichkeit, die nicht unbedingt etwas mit dem Staat, der Bürokratie und dem ganzen anderen Quatsch zu tun hat. Für viele linke Eltern ist die Aussicht, ihre Kinder als traditionelles Paar großzuziehen, nicht sehr reizvoll, selbst wenn sie cis und hetero sind.
Manche Erziehungskollektive leben zusammen, andere nicht – mehr Leute, die sich um die Kindererziehung kümmern, erhöhen schließlich nur die Flexibilität. Es gibt also mehr Möglichkeiten, herauszufinden, wie man die Bedürfnisse aller abdecken kann, nicht weniger. Es könnte also eine Option sein, sich mit anderen zusammenzutun (die dir genug Vertrauen entgegenbringen), die demnächst Kinder bekommen oder bereits mit ihnen zu kämpfen haben.
Ein Problem, zu dessen Lösung du vielleicht zufällig beitragen kannst: das Problem, dass so viele radikale Linke aus den Aktivistenkreisen aussteigen, sobald sie Eltern werden. Die meisten radikalen Projekte sind ziemlich schlecht darin, Eltern unterzubringen, und konzentrieren sich auf Student*innen, kaputte Punks oder das Broletariat als Zielgruppe für die Mobilisierung. Es gibt also viele Solidaritätspartys, aber nicht so viele Solidaritäts-Crews, bei denen man seine Kinder abgeben kann, bevor man zu einer Demo oder einer Aktion geht.
Kollektive Kindererziehung erfordert jedoch viel Vertrauen und starke gemeinschaftliche Bindungen. Schließlich dauert es einige Jahre, Kinder großzuziehen, und man möchte, dass die Freundschaften auch während dieser Zeit halten. Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter – viele traditionelle Ehen schaffen das nicht. Und sich darüber zu streiten, wer die Kinder bekommt, ist schon schwer genug, wenn nur zwei Personen beteiligt sind.
Aber vielleicht ist es die Herausforderung wert.